Skulptur “Diedelsheimer Sänger” eingerichtet

Skulptur “Diedelsheimer Sänger” eingerichtet

Auf Anregung des Männergesangvereins “Freundschaft” Diedelsheim 1869 e.V. hat der Diedelsheimer Steinmetz Norbert Reschke eine Skulptur nach der Figur “Der singende Mann” von Ernst Barlach aus dem Jahre 1928 geschaffen. Am 10. Oktober 2022 konnte die neue Skulptur im Hof des Dorfgemeinschaftshauses Diedelsheim in Anwesenheit des Künstlers und des 1. Vorsitzenden Wolfgang Horn eingerichtet werden. Die Einweihung soll zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen einer kleinen Feierstunde erfolgen. Die Skulptur soll zukünftig Sinnbild sein für das musikalische Wirken am Ort der wöchentlichen Chorproben des Männergesangvereins.

Wolfgang Horn (links) und Steinmetz Norbert Reschke sind jeder auf seine Weise zufrieden mit dem neuen Kunstwerk im Hof des Dorfgemeinschaftshauses.
“Diedelsheimer Sänger” – Skulptur nach Ernst Barlach von Norbert Reschke.

„Der Diedelsheimer Sänger“ – Einweihung am 26. November 2022

Liebe Gäste, ein herzliches Willkommen gilt Ihnen allen. Unser heutiges Programm liegt Ihnen vor. Zu Beginn wollten wir programmgemäß gemeinsam im Hof die neue Skulptur im Eingangsbereich unseres Dorfgemeinschaftshauses einweihen. Indem wir im Saal bleiben,  ersparen wir Ihnen und uns den Gang in die abendliche Kälte der November-Witterung.

Die Skulptur „Der Diedelsheimer Sänger“ vereint Welten: die des weitgerühmten Intellektuellen und Künstlers Ernst Barlach mit der unseres Diedelsheimer Hobby-Steinmetzes Norbert Reschke. Norbert Reschke ist sich dessen wohl bewusst. Mir gegenüber hat er zurückhaltend formuliert, dass es für ihn allerdings eine besondere Ehre und eine große Freude gewesen ist, aus einem ansehnlich großen Werkstück  Mühlbacher Keupersandsteins  unseren „Diedelsheimer Sänger“ nach dem Vorbild von Barlachs  „Der singende Mann“ zu gestalten.

Ernst Barlach wurde 1870 im holsteinischen Wedel geboren und ist 1938 in Rostock nach Ächtung seiner Persönlichkeit, seiner Werke, ja seiner gesamten künstlerischen Leistungen durch die Nationalsozialisten 68-jährig gestorben. Sein Lebens- und Schaffensraum im Norden Deutschlands mit Zentrum in dem heute ergänzend umgenannten Barlachstadt Güstrow brachte ihm den ehrenden Beinamen „Artist of the North“ – „Künstler des Nordens“ ein. Als Grafiker, Zeichner, Schriftsteller und besonders Bildhauer nimmt er zusammen mit Käthe Kollwitz eine Sonderstellung innerhalb des deutschen Expressionismus ein. Das Werk „Der singende Mann“, 1928 in Bronze gegossen, wird als der herausragende Entwurf  Ernst Barlachs bezeichnet. Die Skulptur ist inzwischen das weltweit am häufigsten abgebildete bildhauerische Werk deutscher Herkunft. Es ist fester Bestandteil weltberühmter Museen und Sammlungen, unter anderem des Museum of Modern Art in New York.

„Der singende Mann” verdeutlicht Barlachs künstlerisches Interesse am Menschen und seinem Milieu, aus dem er kommt, das ihn prägt und in dem er lebt, leidet, sich freut, fühlt, denkt. „Der singende Mann“ sitzt auf dem Boden, allein, seine Augen sind geschlossen, seine Haltung ist ganz auf sich selbst bezogen, die Beine angewinkelt, eines auf dem Boden, das andere mit den Händen am Knie umfassend. Der Mund ist zum leisen Gesang geöffnet, er singt nur für sich, es gibt keine Zuhörer. Der Mann hat sich selbst ganz dem Gefühl hingegeben, das die Melodie, die Musik in ihm anregt und die ihn durchdringt – durchtönt, wie es die  deutsche Übersetzung des lateinischen Wortes „personare“ bezeichnet. Der singende Mann ist eine unverwechselbare Person, ein Individuum, ein Mensch eben, der lebt, fühlt, sich freut, denkt – ob er leidet, wissen und hoffen wir nicht. 

Norbert Reschke ist „unser“ Diedelsheimer Steinmetz. Hier am und im  Dorfgemeinschaftshaus hängen und stehen andere Werke von ihm, die insbesondere das Diedelsheimer Wappen zum Thema haben.  Er hat das Monument am Eingang des Diedelsheimer Friedhofs geschaffen, und erst kürzlich wurde an die  Brettener Partnerstadt Longjumeau ein Brettener Hund in Stein übergeben, ein Werk von Norbert Reschke. Ein filigran gestalteter Philipp Melanchthon ist derzeit mein Lieblingswerk von Norbert Reschke.

Über den „Diedelsheimer Sänger“ brauche ich hier keine weiteren Worte zu formulieren. Sie alle können sich auf seinem Mäuerchen draußen in ihn hineindenken, können ihn mit Barlachs Original vergleichen. Jedenfalls scheint er leiser, zurückhaltender, weniger offen als Barlachs singender Mann. Woran denkt er? Gibt ihm seine Musik Ruhe vor der zerrissenen Welt um ihn herum? Das oder anderes zu vermuten, bleibt dem jeweiligen Betrachter überlassen.

Unser „Diedelsheimer Sänger“ hat an seinem Platz auch eine Funktion. Wolfgang Horn hat sie treffend formuliert: Der „Diedelsheimer Sänger“ soll das Symbol sein für die Freude, die Ihnen – den Diedelsheimerinnen und Diedelsheimern  –  die Sänger des Männergesangvereins „Freundschaft“ mit ihrer Musik bereiten wollen. Dafür üben wir hier im Hause donnerstags abends gerne  und versuchen dann und wann  in einem  kleinen festlichen Rahmen wie heute, dass die Ergebnisse unserer Musik Sie, unsere Zuhörer, unser Publikum, „durchtönen“.

Norbert Reschke hat den „Diedelsheimer Sänger“ mit vielen geduldigen, manchmal energischen und sehr oft feinfühligen Hammerschlägen aus seinem Steinquader befreit und es möglich gemacht, dass wir die Skulptur hier heute dauerhaft aufstellen können. Bei Norbert stand von Anfang an die Freude, ja sogar Dankbarkeit im Vordergrund, den „Diedelsheimer Sänger“ nach dem Vorbild von Ernst Barlachs „Der singende Mann“ für uns gestalten zu können. Die Arbeit an seinem „Diedelsheimer Sänger“ bedeutete für Norbert Reschke die Einarbeitung in und damit – wer wüsste das besser als er selbst – wenigstens eine Annäherung an das nicht erreichbare Vorbild Ernst Barlach. Lieber Norbert, herzlichen Dank für deine so erfolgreichen Mühen. Herzlichen Dank an dieser Stelle auch an großzügige Sponsoren, die die Kosten übernahmen, die hier nicht zu vermeiden waren. 


Als äußeres Zeichen für die Einweihung unserer Skulptur haben wir vor Beginn dieser Veranstaltung ein Schild an ihr angebracht:
Norbert Reschke: „Diedelsheimer Sänger“ (2022). Nach Ernst Barlach „Der singende Mann“ (1928).

Eberhard Schallhorn

Eberhard Schallhorn
mgvschall

Schreibe einen Kommentar